Publikationen

 
Hier finden Sie meine bisherigen Publikationen.

Das Opetfest

 

(gekürzte Version, vollständig nachzulesen in: www.kemet.de/ausgaben/3-2014/themen.htm)

 

Eines der wichtigsten und bekanntesten - wenn auch nicht ältesten - Feste des altägyptischen Kalenders ist das Opet-Fest.  Da es sich um ein lokales Fest im Neuen Reich handelt, sind Quellen und Handlungsorte vornehmlich zwischen Karnak und Luxor zu finden. Kurz beschrieben besteht das "schöne Fest von Opt/Ipet" aus einer Prozession des Gottes Amun zu Land und zu Wasser, später nur zu Wasser, in seiner Barke. Diese Prozession verband die beiden Tempelbezirke Karnak und Luxor miteinander.

 

Der Beiname des Festes lautet: "Amun von Karnak im südlichen Privatgemach von Ipet"[1]. Hierbei kann Ipet als Luxor ("südliches Ape / Ope") gedeutet werden. Das Opetfest kann man daher vielleicht auch als Luxorfest bezeichnen.

 

 

Quellen

 

Vor allem an zwei Orten sind bildliche Darstellungen des Festzuges und der Ritualhandlungen zu finden. Der erste Ort ist das Barkensanktuar der Hatschepsut (Chapelle Rouge) im Karnaktempel.  Diese zweiräumige Barkenkapelle aus rotem Quarzit und schwarzem Granit ersetzte diejenige Amenophis' I. und ist reichlich mit Darstellungen des Opet- und Sed-Festes geschmückt.  Später wurde sie von Thutmosis III. abgebrochen. Die Bruchsteine nutze Amenhotep III. für die Fundamente des 3. Pylons. Heute ist die Capelle Rouge im Freilichtmuseum von Karnak zu sehen[2].

 

Die zweite Quelle für Darstellungen des Opet-Festes findet man im Luxortempel an den inneren Ost- und Westwänden der Kollonadenhalle, welche von Tutanchamun erbaut wurde. Dieser Gebäudeabschnitt, welcher zwischen den Säulenhöfen Amenhoteps III. und Ramses' II. liegt, wurde in der Art eines riesigen, geschlossenen  Kiosks mit 2x7 Papyruskapitellen erbaut[3].

 

 

Historie des Festes

 

Erst ab der 18. Dynastie wird das Opet-Fest erwähnt. Während der Regierungszeit Hatschepsuts war es allerdings schon ein etabliertes, jährlich gefeiertes Fest. Der kalendarische Beginn der Feierlichkeiten hängt vermutlich mit dem Krönungstag von Thutmosis II. zusammen, welcher am 15. Tag des zweiten Monats der Achet - Jahreszeit, (Achet, "Überschwemmung") begangen wurde[4].  Nach heutiger Zeitrechnung wäre das der 29. September. Ein weiterer Beleg für die Wichtigkeit dieses Datums der Krönung ist die Überlieferung, dass Thutmosis II. in seinem ersten Regierungsjahr einen Aufstand nubischer Fürsten niederschlug, welche nach dem Tod seines Vaters rebellierten. Zu Ehren dieses Sieges ließ er später ein Siegesdenkmal am dritten Nil-Katarakt in der Nähe von Kerma an seinem Krönungstag errichten[5]. Der Abend davor, also am 14. Tag des zweiten Monats der Achet-Jahreszeit, war bis in die Regierungszeit von Ramses' III. hinein der Beginn der Prozessionsfeier, welche 11 Tage dauerte.

 

Wie wichtig der Termin war, belegt die Tatsache, dass Thutmosis III. in seinem 23. Regierungsjahr nach seiner siegreichen Schlacht bei Megiddo rechtzeitig nach Karnak zurückkehrte, um die Opetfestlichkeiten zu eröffnen. Dieses geschah im Rahmen einer zusätzlichen Siegesfeier.

 

"Seine Majestät (Thutmosis III.) stiftet Amun ein neues Gottesopfer (nach Rückkehr aus Megiddo), um in seinem Tempel in Karnak das, was man lobt, zu tun an seinem schönen Fest von Opet am 15. Achet II. Wenn der König dieses herrlichen Gottes auszieht, um seine Fahrt in sein südliches Privatgemach (Luxor) zu unternehmen, stiftet er ein großes Opfer für diesen Tag beim Einzug in das südliche Privatgemach als alljährliche Leistung"

- Annalenschrift des Thutmosis III.[6]

 

Ramses III. (20. Dynastie) verlegte den Beginn des Festes auf den 19. Tag des zweiten Monats der Achet-Jahreszeit und verlängerte das Fest bis zum 15. Tag des dritten Monats der Achet-Jahreszeit auf 27 Tage[7]. Somit ist es das längste Fest im altägyptischen Kalender des Neuen Reiches. Bis zur 21. Dynastie veränderten sich die Daten der Feierlichkeiten kaum. So ist belegt, dass im 7. Regierungsjahr Ramses' VI. das Fest am 8. Tag des dritten Monats der Achet-Jahreszeit noch im Gange war[8].  Für die späteren Epochen gibt es nur wenig Nachweise. Da allerdings während der Invasion von Piye (Pianchi, 25. Dynastie) belegt ist, dass das Opet-Fest schon am 2. Tag  des dritten Monats der Achet-Jahreszeit endete, muss man von einer Verschiebung oder Verkürzung ausgehen[9]. Noch spätere Nachweise des Opet-Festes sind nicht eindeutig zu finden.

 

 

Ablauf

 

Der genaue Ablauf der Opet-Festprozession kann nur aus den bildlichen Darstellungen an den Tempelwänden in Karnak und Luxor rekonstruiert werden.

 

Unter Hatschepsut verließ der Gott Amun in seiner Götterbarke aus feinstem Holz, welches in Byblos eingekauft wurde (20. Dynastie, Wen Amun[10]), das Allerheiligste im Tempel von Karnak. Auf dem Landweg wurde die Barke auf den Schultern der Priester zum "südlichen Privatgemach" getragen.

 

 

Dabei passierte die Prozession entlang der Sphingenallee sechs Barkenstationen. Diese konnten aus einfachen Baldachinen oder zeltähnlichen Unterständen bestehen. Zumeist wurden sie allerdings zu kleinen Kiosken aus Stein ausgebaut[11].  Der Rückweg der Prozession verlief auf dem Nil zu Wasser.

 

Tutanchamun änderte den Ablauf dahingehend, dass der Hinweg wie auch der Rückweg auf dem Nil stattfand. Hierfür wurde ein Kultschiff (Wsr H#.t-Jmn.w), auf dem sich die Götterbarke des Amun befand, vom Königsschiff nilaufwärts gegen den Strom gezogen. Dieses erfolgte sowohl durch Rudern und mit Segeln, wie auch durch Treideln vom Ufer aus. Ein Platz in so einer Gruppe von Männern, die die Barke ziehen durften, galt als Ehre[12]. Für der Regierungszeit von Hatschepsut ist es nicht belegt, wird, dass die Barke des Amun von denen der Mut und des Chons begleitet wird. Bei späteren Herrschern ist es allerdings üblich.

 

Ebenfalls nahmen an der Prozession sowohl auf dem Land- wie auch auf dem Seeweg eine große Schar von Musikern teil. An den Tempelwänden finden sich Darstellungen von nubischen Tänzern und Tänzerinnen, Trommlern, Sängern und verschiedener Instrumentalisten. Auch Soldaten haben in großer Zahl in voller Ausrüstung an dem Umzug teilgenommen.  Es ist davon auszugehen, dass unzählige Schaulustige und Feiernde an dem Spektakel teilgenommen haben[13].

 

In Luxor angekommen, wurden die Götterbarken von Priestern an Land getragen. Vom Kai zum Eingang des Luxortempels säumten kleine Buden mit Opfergaben und Sänger den Weg. Ein "Empfangskomitee" aus Priestern, Tänzern und  "den Sängerinnen des Amun" (Karnak, Tempel Ramses III.) begrüßte die Barken. Diese Zeremonie fand wohl außerhalb des Allerheiligsten statt. Der Barkenschrein im Hof Ramses' III. für die drei Götter aus Karnak im Luxortempel könnte hierfür ein Indiz sein.

 

Anschließend zogen die Götter in das Allerheiligste ein. Der Amun von Karnak wird damit zum Jmn.w-jp.t "Amun von Luxor". Was hier an Zeremonien abgehalten wurde, ist leider nicht weiter bekannt, da es darüber weder Aufzeichnungen noch Darstellungen gibt. Neigte sich das Fest dem Ende entgegen, wurden die Barken mit den Göttern wieder auf dem Nil zurück nach Karnak gebracht. Hierfür war dann keine Muskelkraft oder Wind nötig, da die Schiffe im Strom mitfuhren. Dennoch waren die Rückfahrt sicher nicht weniger pompös als die Hinfahrt. Der Empfang in Karnak war sicherlich vergleichbar mit dem in Luxor.

 

 

Bedeutung

 

Die personale Anwesenheit des Königs spielte bei diesem Fest eine bedeutende Rolle. Während der Pharao generell als höchster Offiziant der Tempelliturgie galt und im Normalfall allerdings durch Priester vertreten wurde, fiel hier die Rolle des obersten Priesters immer dem König persönlich zu. Daher ist anzunehmen, dass die Szenen der göttlichen Geburt des Königs in Beziehung zum Opetfest stehen[14].

 

Das zeremonielle Betreten des Tempels während des Festaktes durch den König war ein eigenes Ritual mit dem Namen "die Einführung des Königs" (bs nswt)[15].

 

Eine mögliche Deutung liefert der Name des Tempels in Luxor:"südliche Privatgemächer / südlicher Harim". Dieses legt nahe, dass es sich bei den Zeremonien um eine rituelle Hochzeit oder göttliche Zeugung des Pharaos handeln könnte[16]. In dem Rahmen könnte die Priesterrolle der "Gottesgemahlin" eine wichtige Rolle gespielt haben. Angrenzend an den Barkenschrein im Tempel findet man den sogenannten "Geburtsraum" (Mammisi), in welchem in Reliefs die göttliche Geburt des Amenophis III. zu sehen ist. Diese Darstellung steht nicht direkt in Verbindung mit dem Opet-Fest, könnte allerdings zur Erklärung der Riten im Tempel herangezogen werden.

 

In dem Fall vollzog sich alljährlich die Vereinigung des Reichsgottes mit der Königsmutter. Ergebnis dieser Vereinigung war die Geburt des königlichen Ka, welches mit dem Pharao verschmolz. So konnte der König mit neugeborenem Ka als Sohn des Amun vor den Festteilnehmern erscheinen.

 

Ein Bericht der Hatschepsut ist in ihrem Terassentempel Deir el-Bahari zu lesen, welcher die göttliche Zeugung von Hatschepsut durch Amun wiedergibt:

 

"[Es kam dieser herrliche Gott, Amun der Herr der Throne der beiden Länder], nachdem er sich verwandelt hatte in die Majestät dieses ihres Gemals, des Königs von Ober- und Unterägypten  (Thutmosis I.); sie fand sie, wie sie ruhte in der Schönheit ihres Palastes. Sie erwachte wegen des Geruchs des Gottes; sie lächelte angesichts seiner Majestät. Da ging er zu ihr sogleich und wurde begierig gegen sie, er gab sein Herz in sie, er ließ sie ihn sehen [in] seiner Gestalt als Gott, nachdem er vor sie gekommen war. Sie freute sich, seine Schönheit zu sehen, seine Liebe ging ein in ihren Leib, [der Palast war überflutet von dem Geruch des Gottes], alle seine [Düfte] waren (Düfte) von Pwnt. [Es tat dieser Gott] alles was er wollte mit ihr. Sie ließ ihn sich freuen über sie. [Sie] küsste ihn."[17]

 

In diesem Rahmen hätte auch Hatschepsut eine Legitimation durch den Gott Amun erhalten, was das so plötzliche Auftreten des Festes in der 18. Dynastie erklären könnte.

 

 

Ausstrahlungen

 

Welchen Stellenwert das Opet-Fest in der altägyptischen Lebensweise einnahm ist daran zu erkennen, dass der Monat zweite Monat der Achet-Jahreszeit im Laufe des Neuen Reiches den Namen pa-n-Jp.t / Pn-Jp.t, also den Namen des Festes, erhalten hat. Diese Namensgebung hat bis in unsere Zeit Bestand. Man findet in der Ptolemäerzeit den griechischen Monat Phaopho aus dem dann der koptische Paopi (11. Oktober bis 10. November) hervorkam. Auf diese Weise reicht der Name bis ins arabische Baba. Somit hat der Name dieses altägyptischen Festes im koptischen Kalender bis heute überlebt, auch wenn das Fest selber spätestens mit dem Untergang der paganen Religionen in Ägypten verschwunden ist.

 

Bereits in der Antike gab es ähnliche Feste mit Barkenumzügen. So wird die Kultbarke mit dem Amun beim Dekadenfest alle zehn Tage zum Luxortempel gebracht[18]. Auch beim Choiak-Fest werden Kultbarken mit dem Gott Osiris-Chontamenti, des Sokar und des Kornorisiris zu den Millionenjahrhäusern getragen[19]. Doch sind solche Kultprozessionen nicht auf den thebanischen Raum zu begrenzt. Auch in Abydos gab es während des Pqr-Festes entsprechende Umzüge[20] mit Götterbarken.

 

Kleine Ausstrahlungen des Opet-Festes über die Antike hinaus können in der mittelalterlichen koptischen Literatur gefunden werden[21].

 

Und selbst im modernen muslimischen Ägypten sind ähnliche Kultverehrungen zu finden. So wird die Barke des muslimischen Heiligen Abu'l-Haggag (1150 - 1243) bei Feierlichkeiten zu seinen Ehren aus der ihm geweihten Moschee, welche sich im ersten Hof des Luxortempels befindet, um das Tempelgelände herumgetragen. In den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts begleiteten berittene Soldaten zu Pferd und Kamel, Blasmusikkapellen, Fahnenträger, Trommler und unzählige singende und tanzende Gläubige den Umzug[22]. Im 21. Jahrhundert wichen dann doch an vielen Stellen die Musiker den Lastkraftwagen mit Lautsprecherbeschallung und die Eselkarren modernen Automobilen, doch die Schreine des Heiligen werden immer noch auf dem Rücken von Kamelen durch die Straßen transportiert[23].  Während dieser Feier herrscht drum herum heute wie früher eine volksfestähnliche Stimmung mit Buden und Musik und man kann das Echo der altägyptischen Opet-Festprozession erahnen.

 

Volker Semmler, M.A.



[1] Jean-Pierre Corteggiani, L'Égypte ancienne et ses dieux. Dictionnaire illustré, Paris 2007.

[2] Dieter Arnold, Lexikon der ägyptischen Baukunst, Düsseldorf 2000.

[3] ders..

[4] Siegfried Schott, Altägyptische Festdaten, S. 87, Mainz 1950; Urk. IV, 824, 10.

[5] ders., S. 84; Urk., IV, 824, 10.

[6] ders., S. 85.

[7] ders., S. 85.

[8] Vernus in: BIFAO 75, 1975, 101 - 110.

[9] Urk. III, 15,3.

[10] pMoskau 120; KEMET 9/1.

[11] Dieter Arnold, Lexikon der ägyptischen Baukunst, Düsseldorf 2000.

[12] Urk. IV, 895, 10 - 13.

[13] siehe Darstellungen im Luxortempel

[14] Urk., IV, 606, 5 - 6; IV, 897, 1 - 4; III, 16, 12 - 14.

[15] Gardiner in JEA 39, 1953, 15.

[16] Walther Wolf, Das schöne Fest von Opet,S. 73 - 74, Leipzig 1931.

[17] Kurt Sethe, Urkunden der 18. Dynastie, S. 102, Leipzig 1914.

[18] siehe KEMET S. ???

[19] siehe KEMET S. ???

[20] KEMET 9/2.

[21] Walther Wolf, Das schöne Fest von Opet, S. 74, Leipzig 1931.

[22] https://www.youtube.com/watch?v=vlCu3itL1VE

[23] https://www.youtube.com/watch?v=uc-XB6cXzkE